Vorstellungen
Filmkritik
Dylan (Maik Cillekens) ist elf Jahre alt, sehr rothaarig und eigentlich nur an einer Sache wirklich interessiert: am Fußball. Er kickt mit seinem besten Schulfreund Youssef (Anouar Kasmi) in einer Mannschaft, aber auch auf dem Bolzplatz zwischen Betonbauten. Beide träumen davon, einmal Profis zu werden. Ihr nächstes Ziel ist zunächst aber der Touzani-Cup, der auf dem nach dem Fußballer Soufiane Touzani benannten Turnier vergeben wird. „Dafür müssen wir mit dem besten Team spielen!“
Die Geschichte von „Bleib am Ball“ könnte eine „gewöhnliche“ Fußball-Story werden, über die Rivalität zwischen zwei Jungs, eine Klassenkameradin namens Maya (Kailani Busker), die sich eher fürs Skateboardfahren interessiert, und vielleicht auch den Umgang mit sportlichen Niederlagen.
Ballspielen im Rolli
Doch der Drehbuchautor Job Tichelman nimmt seine eigene Lebensgeschichte als Folie. Dylan wird von einem Auto angefahren, was eine Querschnittslähmung zur Folge hat. Das will er aber nicht wahrhaben; in wenigen Wochen schon werde er wieder auf dem Platz stehen, ist Dylan überzeugt. Aber so einfach geht es dann natürlich doch nicht. Es folgen Frustrationen und Abwege und schließlich eine Idee, als Maya im Skatepark mit dem Rollstuhl experimentiert. Im Rolli kann man zwar nicht mit den Füßen spielen, aber die Hände wären ja frei, wenn sie nur näher am Boden wären.
Regisseur Camiel Schouwenaar mischt der Geschichte um Dylan viel flotte Musik und immer wieder sportliche Sequenzen unterschiedlichster Art bei, unterbrochen von Rückschlägen und Frustrationen. Der großartige Maik Cillekens trägt als Dylan den Großteil des Films. Das beginnt mit den zum Teil sehr schnell wechselnden Emotionen seiner Figur und endet noch lange nicht bei seinen Vorurteilen gegenüber Behinderten; da wird auch seine Sprache schnell herabwürdigend und verletzend.
Die Erwachsenen fallen durch
Überraschend ist allerdings, wie schnell die Erwachsenen um Dylan herum wieder zur Tagesordnung zurückzueilen scheinen. Für Dylans Vater, der auch das Fußballteam coacht, sind die sportlichen Träume seines Sohnes mit dem Unfall schlicht erledigt. Die Figur der Mutter bleibt insgesamt blass.
Dylan selbst imaginiert sich Soufiane Touzani in sein Kinderzimmer, der ihm mit motivierenden Kalendersprüchen Mut macht: „Vertrau auf dich selbst. Lass dir von niemandem weismachen, was du kannst und was du nicht kannst.“ Oder: „Wo ist deine Gewinnermentalität geblieben?“
Der reale Touzani, der sich sowohl in Dylans Imagination als auch später beim Turnier selbst spielt, hat eine ähnliche Geschichte und konnte infolge einer Skoliose in der Kindheit seine Fußballträume nicht verfolgen, entwickelte daraufhin aber seine eigene Form des Freestyle-Fußballs.
Offener Umgang mit Behinderung
„Bleib am Ball“ ist unterm Strich ein ambivalenter Film, der viele Fragen über die Folgen von Dylans Unfall thematisiert. Der Film führt nicht nur einen offenen Umgang damit vor, sondern praktiziert ihn auch selbst; ja, Inkontinenz ist kein Spaß, und die Freund:innen können einen schon mal für doof halten, wenn man nicht mal merkt, dass man am Bein blutet.
Der tastende, unsichere Umgang der Jugendlichen mit Dylan und seiner Behinderung ist das Beste an „Bleib am Ball“; die Erwachsenen, vor allem Dylans Eltern, wirken hingegen viel zu abgeklärt und stereotyp. Da hätte etwas mehr Zweifel und auch Verzweiflung gutgetan, selbst wenn sich der Film konsequent auf Dylans Perspektive beschränkt.
Das Resultat davon ist, dass „Bleib am Ball“ zwischen Selbstfindungsdrama, Sportfilm und pathetischer Selbstermächtigungsgeschichte changiert und sich oberflächlicher anfühlt, als er es wirklich ist.