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Filmkritik
Im Juli 2011 wurde die Sängerin und Komponistin Amy Winehouse tot in ihrer Londoner Wohnung aufgefunden. Sie wurde 27 Jahre alt. Todesursache war eine Alkoholvergiftung. Damit endete eine turbulent-tumultartig kurze Karriere. Der abrupte, aber alles andere als überraschende Tod bedeutete gleichzeitig eine Aufnahme in den sogenannten „Club 27“; Winehouse hatte den altbackenen Mythos des „live fast, die young“ mit ihrer öffentlich performten Drogensucht befeuert und damit zugleich die Authentizität ihrer Kunst bekräftigt. Innerhalb der kurzen Zeit ihrer Karriere veröffentlichte Amy Winehouse zwei Alben – „Frank“ (2003) und „Back to Black“ (2006/2007), von denen etwa 33 Millionen Stück verkauft wurden und für die sie mit zahlreichen mehr oder weniger renommierten Auszeichnungen wie dem „Mercury Music Prize“ oder dem „Grammy“ geehrt wurde.
Winehouse selbst hat immer wieder betont, dass sie ihre Kunst aus ihrem Leben schöpfe und in der Manier einer Singer/Songwriterin eigene Erfahrungen verarbeite, sich Dinge also von der Seele schreibe. Als passionierte Liebende mit einem Hang zu Bad Boys wie Pete Doherty oder Blake Fielder-Civil und deren Faible für harte Drogen bringen vier ihrer Songs das komplette Programm auf den Punkt: „I heard love is blind“, „Love is a losing game“, „Back to Black“ und „Rehab“.
Eine unberechenbare Persönlichkeit
Die On/Off-Beziehung zu Fielder-Civil, ihre multiple Drogensucht und Essstörungen setzten Winehouses Karriere mächtig zu, machten ihre Konzerte aber auch zu spekulativen Events: Wird sie auftreten? Wird sie singen? Wird sie das Konzert abbrechen? Was könnte sonst noch passieren? Im Online-Magazin Pitchfork konnte man anlässlich der Veröffentlichung ihres zweiten Albums „Back to Black“ lesen, was Winehouse neben ihrem Talent und ihrer Stimme noch in die Waagschale der Kulturindustrie zu werfen hatte: Sie interessierte sich nicht für die üblichen PR-Strategien des Business. Wenn sie sprach, war nicht zu garantieren, was sie sagen würde. Wenn sie konzertierte, war nicht sicher, ob es zu einem Konzert kommen würde und wie es ablaufen würde. Und wenn sie ihre persönlichen Probleme thematisierte, war es ihr schlicht egal, was andere darüber dachten.
Amy Winehouse verfügte über jede Menge Kapital, um daraus eine Star-Karriere zu formen. Oder als traurige Gestalt in Erinnerung zu bleiben. Oder als Mitglied des „Club 27“ sogleich mystifiziert zu werden. So weit, so bekannt. Wer die Karriere von Amy Winehouse als Zeitgenosse in Echtzeit verfolgt hat, ist darüber in groben Zügen informiert. 2015 komplettierte dies zudem die erstaunlich materialreiche Dokumentation „Amy“, die es aus der kurzen historischen Distanz zudem auch wagte, ein paar Bewertungen vorzunehmen und Verantwortlichkeiten kritisch zu benennen. Etwa die Rolle der Boulevardmedien oder die Rolle des Vaters, der sich lieber im Ruhm der Tochter sonnte, als ihr zu helfen.
Boulevard 2.0
In Kenntnis von „Amy“ erschließt sich nicht so recht der Sinn, der hinter dem von den Winehouse Erben initiierten Projekt „Back to Black“ steckt. Die tragische Geschichte, sehenswert dokumentiert, wird nun von ein paar Schauspieler:innen re-enactet, wobei die Qualität der Hauptdarstellerin Marisa Abela zugleich an der Aura von Amy Winehouse nagt; zudem scheint alles ungleich harmloser. Der drogeninduzierte Kontrollverlust wirkt jetzt viel spielerischer, die Verführung zu harten Drogen durch Fielder-Civil wird bestenfalls angedeutet, die Beziehung zu Pete Doherty fehlt ganz, die Rolle der Vaterfigur wird ungleich freundlicher gestaltet. „Back to Black“ von Sam Taylor-Johnson erzählt wenig mehr als eine unglückliche Liebesgeschichte zwischen einer Musikerin und einem selbstbewussten Tunichtgut, die in dieser Form nicht einmal das Modewort „toxisch“ verdient. Wenn es gilt, dass Winehouse ihre Kunst aus ihrem Leben schöpfte, dann begnügt sich „Back to Black“ damit, all die kleinen und großen Krisen und Konflikte dieses Lebens zu reproduzieren, allerdings in deutlich abgeschwächter Form. Also: Boulevard 2.0. Diejenigen, die Winehouse das Leben schwergemacht haben, liefern jetzt die Stichworte.
Was indes fehlt, ist die Transformation von Leben in Kunst. Amy Winehouse ist hier der enthusiastische Jazz-Fan, der sich innerhalb der Pop-Industrie weigert, das nächste Spice Girl zu werden. Die aus Liebe zum Sound und zum Look der 1960er-Jahre ihre nostalgische Beehive-Frisur um allerlei Tattoos ergänzt, damit die Hardcore-Winehouse-Fans im Kino das Original-und-Fälschung-Spiel spielen können. Aber das Songwriting, die Arbeit an den Texten, der Move hin zum Retro-Soul, der Einfluss des Produzenten Mark Ronson auf das zweite Album, die Bühnenshow mit den zwei Tänzern, die Arbeit im Studio an Details, das Touren, die Zeit zwischen den Konzerten, die privaten Interessen der Musikerin Amy Winehouse – all das interessiert den Film nicht die Bohne. Er interessiert sich schlicht nicht für Kunst.
Der Soundtrack zum Film
Dafür erscheint passend zum Film ein neues Album mit ein paar alten Hits von Winehouse und ein paar anderen Songs aus dem Soundtrack des Films wie beispielsweise „Leader of the Pack“ von den Shangri-Las. Auch dafür gilt: Wer braucht den dritten Aufguss?