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Filmkritik
Was hat Little Orphan Annie, das Waisenkind mit dem unerschütterlichen Optimismus und dem großem Herzen, nicht schon alles durchgemacht! Zuerst war das rothaarige Mädchen die Heldin eines Comic-Strips, der von 1924 bis 2010 in US-amerikanischen Tageszeitungen erschien. Seit 1977 hat sie auch ihr eigenes Musical, dessen enormer Erfolg auf einer überaus geschickt verpackten Kombination von unbeschwerter Nostalgie, einprägsamen Melodien und einer versöhnlichen Grundstimmung beruht. Am Ende finden selbst Annies konservativer Milliardär-Ziehvater und der liberale New Deal-Präsident Franklin D. Roosevelt zusammen – eine pikante Pointe, da Annies Erfinder Harold Gray ab den 1930er-Jahren mit seinen Zeichnungen heftig gegen den New Deal und andere „unamerikanische“ Zumutungen gewettert hatte. Doch das ist im Hollywood des Jahres 2014 Schnee von gestern: Will Glucks Verfilmung des Musicals hat die Geschichte in die Jetztzeit verlegt, und auch die Hauptfigur hat eine Generalüberholung erhalten. Die Annie von heute muss nicht rothaarig, sommersprossig und weiß, sondern darf hier ein afroamerikanisches Mädchen mit wilder schwarzer Lockenpracht sein; das Thema New Deal wird gleich in der ersten Szene mit einem Schulreferat Annies und ihrem Fazit erledigt, dass die Menschen damals genauso arm waren wie jetzt, allerdings noch kein Internet hatten. Es ist ein Einstieg, der eine echte Neuinterpretation erwarten lässt. Doch dann folgt der vertraute, nur leicht modernisierte Plot: Das aufgeweckte Mädchen erduldet auch hier die Schikanen seiner Aufpasserin Miss Hannigan, die nun statt einer Waisenhausleiterin eine Pflegemutter ist, aber unvermindert boshaft und dem Alkohol zugetan. Auch die Politik mischt wieder mit, in Gestalt des Handy-Tycoons Stacks, der Bürgermeister von New York werden will, durch sein menschenfeindliches Auftreten aber zunächst keine Chance besitzt. Das ändert sich, als er Annie geistesabwesend vor dem Überfahrenwerden rettet und dabei gefilmt wird. Das Video wandert ins Netz, das Pflegekind wird zur weiteren Image-Förderung in die Luxuswohnung des Milliardärs verfrachtet und die Humanisierung von Stacks kann ihren Lauf nehmen. Und am Ende finden der Kapitalist und das Mädchen auch hier zu einer neuen Familie zusammen. Dass der Plot trivial und vorhersehbar ist, wäre an sich nicht schlimm, da sich noch keine „Annie“-Version als Kandidat für einen Originalitäts- oder Glaubwürdigkeitspreis empfohlen hat. Wesentlich fataler wirkt, dass Gluck und seine Co-Autorin Aline Brosh McKenna ausgerechnet bei den Gesangsnummern Abstriche gemacht haben. Manche Songs fehlen ganz, andere wie Annies ikonisches „Tomorrow“ tauchen an inhaltlich unpassenden Stellen auf oder erscheinen durch rockige, rappige oder autotunige Bearbeitungen nahezu unkenntlich. Das erweckt nicht nur den Anschein, als ob den Machern der Offensivoptimismus von Texten wie „You’re Never Fully Dressed Without A Smile“ peinlich gewesen wäre; es verstärkt vielmehr den Eindruck, dass Gluck mit dem Musical-Format generell offensichtlich wenig bis gar nichts anfangen kann. „Die Menschen lieben es, wenn ohne Grund plötzlich ein Lied geschmettert wird“, behauptet eine der Figuren einmal – was als Aussage über die Anziehungskraft von Musicals ebenso kurzsichtig und falsch ist, als würde man über das Western-Genre sagen, dass Zuschauer eben gern miterleben, wie Männer mit schwarzen Hüten vom Pferd geschossen werden. Leider folgt Gluck diesem Irrtum aber konsequent, mit Schauspielern, die (abgesehen von Jamie Foxx) nicht singen können, und einfallslosen Choreografien, die hüftsteif und ohne Elan ausgeführt werden. Dass die deutsche Fassung bei den Songs Gesangsstimmen einsetzt, die weder mit den Sprechstimmen noch mit den Lippenbewegungen harmonieren, braucht dann auch nicht mehr sonderlich zu verwundern. Glucks stiefmütterliche Haltung zur Musical-Süßlichkeit wäre erklärlicher, wenn er auf der anderen Seite auch Scheu vor Schmalz zeigen würde, der nicht über Gesang transportiert wird. Doch Annies Werben um den Ziehvater ist mit penetranter Sentimentalität inszeniert, der bemühte Flirt des Misanthropen mit seiner Assistentin absolut verkrampft und die unglaubhafte Wandlung der Pflegemutter sogar unerträglich. Nur einen positiven Effekt hat die Neuverfilmung: Die erste „Annie“-Version aus dem Jahr 1982 (fd 23 779), die seinerzeit für ihre extravagant teure Produktion und den ruppigen Stil des Regie-Haudegens John Huston kritisiert wurde, erscheint daneben wie ein regelrechtes Meisterwerk. Immerhin war dort noch zu spüren, dass die Macher dem Stoff gerecht werden wollten, statt einfach an ein Erfolgsrezept anzudocken und zynisch darauf zu setzen, dass das Publikum schon über alle Mängel hinwegsehen werde.