- RegieRobin Wright
- ProduktionsländerVereinigte Staaten
- Dauer89 Minuten
- GenreDrama
- Cast
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Filmkritik
Man staunt nicht schlecht über den Mut von Edee oder besser gesagt über ihren Übermut. Die Amerikanerin lässt ihr Großstadtleben komplett hinter sich. Auf den Weg in die Rocky Mountains wirft sie ihr Smartphone in den Müll, nistet sich in einer heruntergekommenen Hütte mit Paletten von Dosenessen ein und gibt ihren Mietwagen mitsamt Autoschlüssel an einen Ranger ab. Dass eine solche radikale Umorientierung nicht nur Folgen, sondern vor allem Gefahren mit sich bringt, wird der Frau erst mit dem Wechsel der Jahreszeiten bewusst. Im Sommer stören relativ harmlose Regenschauer auf dem löchrigen Dach oder Fledermäuse beim Schlafen, aber im Winter geht es ans Eingemachte: die Lebensmittel sind aufgebraucht, die Raumtemperaturen wandern im Innenraum unter null Grad, während Schneestürme den Kontakt zur Außenwelt völlig abschneiden. Irgendwann gesteht sich Edee schreiend ein: „Es funktioniert nicht!“
Radikaler Rückzug aus dem modernen Leben
Was sind die Gründe für ihren radikalen Rückzug aus dem modernen Leben? Diese Frage lässt Robin Wright, die hier nicht nur die Hauptrolle mit beeindruckender Ruhe und Verzweiflung verkörpert, sondern auch erstmals Regie führt, lange Zeit in der Schwebe. Es gibt ein paar vage Rückblenden mit Ehemann, Sohn und Schwester, aber die Erklärung zögert sich bis zum Ende hinaus. Der Fokus liegt auf der Gegenwart und auf Edees Wunsch, diese aufmerksamer wahrzunehmen. Dafür lebt und leidet sie in der Natur, bis sie zusammenbricht und ein Mann und eine Ärztin sie zufällig unterkühlt und unterernährt auf dem Boden der Hütte auffinden.
Es gibt so viele Aussteigergeschichten in Literatur und im Film, dass man fast von einem eigenen Genre sprechen könnte. „Into the Wild“ von Robin Wrights Ex-Mann Sean Penn, „Der große Trip – Wild“ oder „Nomadland“ sind nur ein paar prominente Beispiele. Diese Filme sind im Gegensatz zu „Abseits des Lebens“ hauptsächlich Road Movies; das heißt, die Bewegung, das Vorwärtskommen, das Treffen von Menschen geben den Rhythmus und die Dramatik vor.
In der Tradition von „Walden“
Robin Wrights Debüt ist eher ein statischer und ruhiger Film und steht in der amerikanischen Tradition von Henry David Thoreaus „Walden“. In dem Roman beschreibt der Autor sehr detailliert sein asketisches Leben in einer Blockhütte. Edee lernt nach einem Jahr ebenfalls die Natur für sich zu nutzen: sie pflanzt Beete, lernt Jagen, dichtet die Fenster ab. Doch das Ganze hat nichts mit dem literarischen Transzendentalismus zu tun. Die Frau hat einen Verlust zu verkraften. Da trifft es sich, dass ihr Retter Miguel (Demián Bichir) auch trauert.
Trotz des starken Schauspiels und der großartigen Naturaufnahmen ist der Film in der Zeichnung seiner Figuren und in der Dramaturgie am schwächsten. Denn was für ein Zufall ist das Zusammentreffen von zwei Menschen mit einem so ähnlichen Schicksal mitten im Nirgendwo? Und was Edee für eine Person im vorherigen Lebensabschnitt war, erfährt man leider kaum; nur oberflächlich, dass sie eine glückliche Mutter und danach einsam und labil lebte. Dadurch findet während ihres Lebens in den Rocky Mountains keine Reflexion statt, obwohl gerade dort genügend Zeit vorhanden wäre. Der Film behauptet Schmerz und nach einer Weile die Überwindung von diesem. Die Entwicklung von Edee bleibt vorhersehbar und uninteressant.
Feingespür für emotionale Zwischentöne
Dabei hat Robin Wright als Regisseurin sehr viel Feingespür für emotionale Zwischentöne. Als Edee die Ärztin, ihre Retterin, im Krankhaus aufsucht, reicht ein Blick zwischen den Frauen, um gleichzeitig von Dankbarkeit, Erleichterung und Sorgen zu erzählen. Denn Edee muss erfahren, dass Miguel erkrankt ist. Die größte Erkenntnis für Edee dürfte wohl sein, dass es doch einen Sinn hat, füreinander da zu sein. Doch dafür bräuchte es nicht unbedingt eine Selbstkasteiung in der Wildnis.